Zum Inhalt springen

Das Leben im Umgebinde

Große, langgezogene Dörfer füllen die Täler von Spree, Landwasser und Mandau, aber auch die Täler der Löbauer- Cunnersdorfer- Laubaer Wässer.

Seifhennersdorf um 1850

Große Bauernhöfe reihen sich an den Talrändern, in den Auen um die Flussläufe verbreiten sich aber die vielen kleineren Umgebindehäuser, manchmal sind sie in einer verwirrenden Enge verschachtelt. Im Laufe der Zeit hat sich die Bebauung aus den Tälern die Berghänge hoch ausgedehnt. Aber schon früher gab es Ortserweiterungen wie das Neudorf in Schönbach, ein Neueibau zu Eibau.

Vertraut erscheinen uns die Umgebindehäuser. Sie sind unser Stolz, weil wir wissen, dass sie eine Einmaligkeit darstellen. Und wir erleben immer mehr, dass gerade junge Leute ein Umgebindehaus suchen, um darin zu leben, um sich damit und darin zu verwirklichen.

Umgebindehaus in Leutersdorf um 1900

Dabei sind diese Häuser 200…250 Jahre alt, die ältesten bis an die 400 Jahre. Damals wurde die Oberlausitz noch von Prag aus regiert, Geld, Maße und Gewichte waren böhmisch. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Oberlausitz den Wettinern zugesprochen, aber wir blieben innerhalb von Sachsen selbstständig. Unsere Dörfer mussten viele Glaubensflüchtlinge aus Böhmen aufnehmen. Aus den Bauerndörfern wurden Weberdörfer, aber man hielt unbeirrt am Umgebindehaus fest.

Nach 1800 sind zwei weitere, große Umbrüche über das Land gegangen, die Industrialisierung ab 1840 und der Anbruch des Informations- und Kommunikationszeitalters nach 1990.

Vor dem Bau der großen Fabriken nach der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte u n d arbeitete man in den Umgebindehäusern, die wir heute nur noch als Wohnhaus erleben. Es waren Weberhäuser. In der großen Stube des Hauses standen manchmal bis zu drei Webstühle („Gezehe“). Von früh bis abends „wirkte“ man, das war möglich, weil an allen drei Seiten Fenster waren und die Sonne vom Morgen bis zum Abend durch die Stube wanderte. Manchmal lebten bis zu drei Generationen in der Stube, der Säugling in der Wiege, die Geschwister am Treiberad, die Eltern am Webstuhl und die Großeltern kümmerten sich um die Ziege in der Abseite und das andere Kleinvieh im Garten oder der Großvater ist in der Färberei. Bei der Arbeit wurde gesungen, die Mutter stimmte an und die anderen fielen ein. Auf der Sitzbank lag ein Gesangbuch, auch die Zionsharfe. Das Singen bei der Arbeit war eine Tradition, die sich bis zum Anfang des 20 Jahrhunderts hielt, als in den großen Nähereien eine Vorsängerin den Ton und Takt angab.

Zillessen "Weberstube"

Den Großeltern stand der Platz am Ofen zu und es gibt Fälle, in denen urkundlich festgelegt wurde, wieviel Platz ihnen in der Stube zustand. Das Wasser holte man im Born im Keller, im Garten oder beim Nachbar. Oder war man Bessergestellt (ein „Viehrnahmcher“), da ließ man sich eine „Plumpe“ vor dem Haus bauen. Das Wasser holte man in großen hölzernen Kannen „ins Haus“, so wie man mundartlich den Hausflur nennt. Da standen die Kannen und da stand das Brothäusel, ein Schrank mit Fliegengaze an den Türen für die Nahrungsmittel. Im Haus lagen große Granitplatten oder bei den Ärmeren ein einfaches Ziegelpflaster, da war es kühl und die Speisen hielten sich länger.

Wasserborn in Seifhennersdorf

Oft hatten die Häuser einen Keller. Eine enge Treppe führte nach unten. Eine Nische in der Wand war für die Kerzen. Es waren in Stein gewölbte Keller mit einer Abzucht, ein Steindeckerkanal, zum Ablauf von Schwitz- oder eventuell auftretenden Hochwasser. Diese Keller waren kühl über das ganze Jahr, man lagerte Kartoffeln ein, auch die vom Nachbarn.

Die Stube war bunt angemalt, unter vielen Farbschichten findet man noch heute das eigentümliche Blau. Die Fenster waren grün, die Fensterbretter rot. Bei den Reichen waren auch die Decken kunstvoll bemalt und die Fensterschieber zeigten Bilder und Blumen, so wie wir heute noch die Oberlausitzer Schränke kennen. Der Fußboden war ein Holzdielenfußboden, um den Ofen herum aber legte man Steinplatten oder Ziegelpflaster.

Die Stube in einem Umgebindehaus war für damalige Zeiten ungewöhnlich groß, sie maß 30, manchmal bis 40 m². Es war genug Raum vorhanden. Ringsum liefen Holzbänke, die oft nach oben geklappt werden konnten. Die Decke wurde durch den Kienruß schnell schwarz. Zu Pfingsten und zur Kirmes wurden die Decken gewaschen. Erst in jüngerer Zeit lackierte man die Decken weiß, so wirkten die Stuben höher und lichter.

Der Ofen war ein mächtiges Bauwerk und wurde „von draußen“ befeuert. Hinter dem Ofen war die Hölle, das ist der wärmste und gemütlichste Ort in der Stube. Im Volksbuch zum Karasek wird anschaulich geschildert, wie sich Palme, Klinger, der rote Stephan, der lange Zenz und die anderen am großen Tisch um den Karasek scharten und wie die Mädchen in der Hölle scherzten und kicherten.

Ein typischer "Oberlausitzer Kachelofen"

Die Geselligkeit seinerzeit ist für uns heute gar nicht mehr vorstellbar. In einem Tagebuch einer Förstersfrau aus Oybin erfahren wir „am 2.März war ich bei der Zellern zu Lichten, die ganzen Weiber und die Männer holten uns zu Hause. Am 3.März bei der Zentschen zu Lichten…am 10. war ich bei Marksen zu Lichten“ und „am 5. April bei der Frau Stollen zu Rocken…am 11. April waren die Frau Stollen und ihre Mutter, Frau Hoffmann, Frau Zeißig bei mir zu Rocken“ ein anderes Mal „waren 10 Weiber bei uns zum Rocken und die Paulinchen und Lottchen waren auch da“

Das Lichtengehen seinerzeit war ganz anders als heute, damals trafen sich die Frauen und Mädchen am Abend gemeinsam in einer Stube zum Spinnen und zur Hausarbeit, um Licht zu sparen. Damals gab es noch kein elektrisches Licht, man hatte die Kienspanhalter oder die teureren Talglichter. Wo nun die Mädchen warten, da pflegten sich auch die jungen Burschen einzustellen und nicht selten waren sie nicht ganz unwillkommenen Störenfriede bei der emsigen Arbeit des Spinnens. Der Leuchter wurde in die Mitte gestellt und Holzspäne, die um die 50cm lang waren, mussten öfter abgerispelt und erneuert werden. Gab es Kaffee und Kuchen und trank man noch etwas Alkoholisches, dann war es ein Rockengang mit viel Spaß und Hallotria .

historischer Ofen mit Kienspanhaletr und Lichthut in Rublitz Aus "Das Bauernhaus im Dtsch.Reiche"

Das Vorbereiten des Webstuhls, das „Aufbäumen“, war eine sehr schwere Arbeit. Dazu waren drei Männer nötig . Man half sich gegenseitig. Man lebte überhaupt in engen Beziehungen, man kellerte die Kartoffeln beim Nachbarn ein, wenn man selbst keinen Keller hatte, man half sich bei Transporten.

Der Oberlausitzer hatte seit jeher ein besonderes Verhältnis zu Blumen und Kräutern. Ein Dresdener schrieb „ es sind althergebrachte Blumenarten, durchweg starkfarbig, die bisweilen geradezu üppig wuchern, sodass der Städter neidvoll hinblickt, wenn er damit die ärmlichen Blümlein vergleicht, die er mit Mühe in seinen Stadtgarten hervorlockt … Schneeglöckchen und Märzenbecher, dicke Büsche von Primeln, Stiefmütterchen in dichten Rabatten, üppige Büsche voll roter Männertreu, grelle Feuerlilien, Kaiserkronen und Eisenhut und im Herbst Sonnenblumen und die hohen Stengel der Malven“.

Ein Garten musste eingezäunt werden gegen die Hühner und Gänse. Und er hatte auch einen praktischen Zeck. Es waren die Küchengewürze, die man schnell für das tägliche Essen holen konnte, Schnittlauch, Petersilie, Majoran, Bohnenkraut, Dill, Liebstöckl, Bornkresse, Beifuß. In der Ecke stand ein Holunder, für den Fliedertee im Frühjahr und für die Holundersuppe im Herbst . 

Heilkräutergarten in Seifhennersdorf

Ja, der Garten ist auch die Apotheke des kleinen Mannes. Horst Drescher schreibt von Großmutters Apotheke: “Der Sack mit dem Kamillentee hing an einem Kleiderrechen in der kleinen Bodenkammer, er hing in einer Reihe mit anderen Säckchen, den Brombeerblättern, dem Huflattich, der Scharfgarbe, dem Spitzwegerich… Und getrocknete Heidelbeeren waren in einer Büchse, die stand griffbereit; getrocknete Heidelbeeren brauchte man für eine Krankheit, die einem jäh überkam, sehr jäh.“ „der größte Sack war der Sack mit den Lindenblüten, na, der mit der Pfefferminze war auch nicht kleiner…Lindenblütenpflücken war ein Fest! Ein Sommerfest!“

Fast jedes Haus hatte einen großen Hausbaum, oft war es eine Linde, seltener ein Ahorn, manchmal auch ein Groomannl, ein Birnbaum in einer unbeschreiblichen Fruchtbarkeit, deren Birnen aber bloß einen Tag hielten.

Feueröffnung am historischen Ofen: Mit der OFengabel wurden die Töpfe in den Ofen geschoben

In der Decke der großen Stube war eine Öffnung nach oben geschnitten. Sie ließ die warme Luft nach oben in die kalten Kammern, tagsüber legte man einen Deckel darauf.

Die Dächer der Umgebindehäuser waren mit Stroh gedeckt. Es war eine leichte, wärmedämmende Dachdeckung. Im Winter war „der Boden“ (Dachraum) nicht so kalt, im Sommer dagegen blieb er kühl. Überhaupt war das Umgebindehaus als Holzhaus für die damalige Zeit ungewöhnlich gut gegen Wärmeverluste gedämmt. Die Holzwand der Stube war zweimal besser als eine viel dickere Ziegelwand. Noch in den 1980er Jahren hob man den Jahresverbrauch von nur 30 Zentnern Brikett hervor, gegenüber den 200 Zentnern, die in den damaligen Eigenheimen verbraucht wurden. 

Im Winter wurden die Stuben der Umgebindehäuser „versetzt“. Draußen vor die Wände baute man einen Versatz aus Brettern und Latten. Man stopfte Stroh oder schichtete Reißig ein, manchmal auch Laub. So blieb die Stube besonders warm.

zum Warmhalten wurde das Umgebindehaus im Winter versetzt