Zum Inhalt springen

Das Umgebindehaus

Erbittert und teilweise kontrovers wird darüber gestritten, warum, wann und wie sich dieses „Multi-Haus“ entwickelte. Hat es etwas mit dem Kontakt zwischen alteingesessener sorbischer Bevölkerung und den deutschen Kolonisten des 12./13. Jahrhunderts zu tun, wie seine regionale Verbreitung vermuten lässt? Einigkeit besteht lediglich darin, dass dies keine plötzlich-geniale Einzelerfindung, sondern ein langer Prozess war. Sein Anfang liegt im Dunkeln. Es gibt weder Berichte noch Abbildungen. Leider ist auch das in unserer Region zum Hausbau verwendete Nadelholz nicht besonders haltbar. So haben sich die ältesten Bauteile nur im Innern mehrfach umgebauter Häuser erhalten. Keine gehen vor das 16. Jahrhundert zurück.

In der langen Entstehungsgeschichte wird es wohl zuerst zu einer Verbindung von Block- und Fachwerkbau gekommen sein, wobei der Blockteil sinnvollerweise den einzigen geheizten Raum des Hauses, eine Stube, aufnahm.

Im Fachwerkteil waren Schlaf- und Vorratskammern, Wirtschafts- und Arbeitsräume, Flure und Treppen untergebracht. Heute nicht mehr zu klären ist die prinzipielle Frage, ob damals die massive Holzstube

ins ursprüngliche Fachwerkhaus hinein gebaut oder der ursprüngliche Blockbau mit einer Fachwerkkonstruktion umbaut wurde. 

Abb. Blockstube (Karl Bernert)
Abb. Fachwerkkonstr. (Karl Bernert)

Die Formulierungen „hinein gebaut“ und „umbaut“ verweisen immerhin auf einen unstrittigen und ganz entscheidenden Sachverhalt: Die Blockstube ist ein Haus im Haus, eine in sich geschlossene, mit den anderen Hausteilen konstruktiv nicht verbundene „Holzkiste“.

Über Jahrhunderte hinweg nahmen die steinernen Anteile am Umgebindehaus zu.

Am Beginn stand wohl ein schlichter Natursteinsockel unter der Blockstube als Schutz vor Nässe. Kleine, ausgemauerte Kellerlöcher folgten, in denen man Milch und andere verderbliche Lebensmittel kühl lagern konnte. Dort, wo es der Untergrund erlaubte, bekamen Umgebindehäuser viel später beachtlich große, tonnengewölbte Keller, oft mit einem Hausbrunnen und einer Abzucht für überschüssiges Schichtwasser.

Auch der Hauflur, in dem sich ursprünglich das offene Herdfeuer befand, wurde zunehmend „versteint“. Er entwickelte sich zur Halle mit Vorder- und Hintertür, mit Zugang zu Stube und Stallteil und Treppen zum Keller, sowie Obergeschoss. Das Herdfeuer wurde als Schwarzküche vom Flur abgetrennt. 

Lange Zeit hat man von hier aus auch den Stubenofen als Hinterlader durch die Wand hindurch befeuert. (Aus Brandschutzgründen wurde an dieser Stelle ein Stück der Blockstube durch feuerfestes Material ersetzt.)

Mensch und Tier lebten im traditionellen deutschen Bauernhaus unter einem Dach. 

massiver Hausteil-Karl Bernert

Die Lehm-Fachwerk-Bauweise erwies sich für Ställe als wenig geeignet; sie war nicht haltbar genug. Deshalb schloss sich später in der Längsrichtung des Hauses an den Flur meist ein zweiter Massivteil mit starken Natursteinmauern an.

Diese Gewölbe konnten nicht nur als Ställe, sondern auch als sichere Lagerräume oder für die verschiedensten Handwerksberufe als Werkstatt genutzt werden. Bei größeren Häusern bekam sie ab dem 18. Jahrhundert zusammen mit dem Hausflur schöne Gewölbekappen aus Ziegelmauerwerk.

Damit ist unser Umgebindehaus komplett. Noch nicht ganz!

Denn zu einem Haus gehört auch das Dach mit den Bodenräumen. 

Umgebindehäuser haben in der Regel ein Satteldach. Bei größeren wurde dieses wegen der besseren „Windschlüpfrigkeit“ mit einem Zwerchgiebel versehen. Das Dachmaterial wandelte sich in den letzten 150 Jahren von den ursprünglichen Strohschoben und Holzschindeln zu einer Ziegel- und Schiefereindekkung. Die Giebel des Hauses bestanden meist aus Fachwerk, nur selten aus einer einfachen Bretterwand. Der meist recht große, oft zweistöckige Bodenraum wurde in großen Teilen zum Einlagern von Brennmaterial (vor allem Reisig und Heu) genutzt. Eine Luke im Giebel und ein herausschiebbarer Balken machten es möglich, dieses mittels Rolle und Seilzug nach oben zu befördern, ohne Haus und Treppen zu beschmutzen. Für Licht und die Durchlüftung des Bodens sorgten Fenster an den Giebelseiten und Gaubenfenster in der Dachfläche. Deren landschaftstypische Ausgestaltung als „Ochsenaugen“ oder „Hechte“ rührt wohl noch vom Strohdach her.

Viel weiter verbreitet, am Ende sogar üblich war es jedoch, Umgebindehäuser mit einem Fachwerk-Obergeschoss zu bauen.

Dort befanden sich über der Blockstube die Schlafräume des Hausbesitzers (Stubenkammern), über der Halle der „Saal“ als oberer Hausflur und über den Gewölben die so genannten Stallkammern. Sie wurden vom Hausgesinde oder eingemieteten „Inwohnern“ bewohnt, dienten teilweise aber auch als Altenteil.

Spätere Hausanbauten, die sich meist an der Rückseite des Hauses („Abseite“) befanden, dienten als Abort, Waschhaus oder Schuppen.